Menü
Menü schließen
laubfrosch

Torfmoose als Torfersatz und Tulpenverpackung

Von Melanie Russ

Torfmoose spielen eine Hauptrolle beim Moor- und Klimaschutz und sind ein vielseitig nutzbarer, nachhaltiger Rohstoff. Anbau, Ernte und Verwendungsmöglichkeiten erforscht jetzt das Projekt Paludifarming mit seinem Partner, der Stiftung Naturschutz im Landkreis Diepholz, die gerade in das Europäische Fachzentrum Moor und Klima in Ströhen gezogen ist.

Ströhen – Sie sind unscheinbar, optisch eher unspektakulär. Aber Torfmoose haben es in sich, spielen nicht nur eine Hauptrolle beim Moor- und Klimaschutz, sondern sind auch ein vielseitig nutzbarer, nachhaltiger Rohstoff, der laut Dr. Jens-Uwe Holthuis an Bedeutung gewinnt. „Die Industrie ist interessiert, der Markt ist da, nur die Flächen sind noch nicht da“, beschreibt es der Leiter des Forschungsprojekts Paludifarming, das seit Dezember 2022 auf einer Fläche der Stiftung Naturschutz im Landkreis Diepholz im Barver Moor läuft. Vor Kurzem hat die Stiftung mit ihrem Forschungsprojekt ein Büro im Europäischen Fachzentrum Moor und Klima (EFMK) in Ströhen bezogen.

Der Hausherr, Wagenfelds Bürgermeister Matthias Kreye, freut sich sehr über den neuen Mieter – nicht nur, weil er Geld in die klammen Kassen des EFMK bringt. Denn die Einrichtung versteht sich als Vernetzungsstelle von Moor- und Klimaprojekten, und da passt die Stiftung als ein großer Player im Moorschutz aus Kreyes Sicht hervorragend hinein. Mit dem BUND, dem Landschaftspflegeverband und weiteren Forschungsprojekten befindet sie sich dort in bester Gesellschaft.

Anlässlich des Einzugs beschreibt Jens-Uwe Holthuis das Projekt und die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten von Torfmoosen. Und er verdeutlicht, dass deren Zucht und Ernte einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten und eine auskömmliche Alternative für Landwirte sein kann, die trockengelegte Moorflächen bewirtschaften.

Denn Torfmoose wachsen auf nassen Moorflächen, und nur wenn Moore nass sind, geben sie die in ihnen gespeicherten riesigen Mengen an Treibhausgasen nicht an die Atmosphäre ab. Neben dem Erhalt des Lebensraums Moor mit seiner einzigartigen Flora und Fauna ist das auch ein wesentlicher Grund, warum die Stiftung Naturschutz – meistens im Rahmen von Flurbereinigungen – Moorflächen ankauft und wiedervernässt. Laut ihrer Homepage betreut sie inzwischen über 400 Biotope im gesamten Landkreis und hat rund 350 Hektar Eigentumsflächen.

Das erste größere Wiedervernässungsprojekt, das abgeschlossen wurde, war das Barver Moor. Dort wurde auch im Rahmen des Canape-Projekts eine Torfmoosfarm angelegt, um die klimaschonende Produktion auf wiedervernässtem Hochmoorgrünland zu erforschen. „Dort haben wir großes Know-how aufgebaut“, so Holthuis. Das Projekt Paludifarming schließt daran an.

Und was macht man nun mit Torfmoosen? Sie können zum einen als Ersatz für torfhaltige Erden genutzt werden und so den klimaschädlichen Torfabbau verringern. Holthuis rechnet vor, dass der Anbau von Torfmoosen auf 40000 Hektar den Bedarf an Ersatzerden für ganz Deutschland decken könnte – nach seiner Einschätzung ein realistisches Ziel.

Weil Torfmoose Chemikalien hervorragend binden, kommen sie auch bei Chemie- oder Ölunfällen auf Gewässern zum Einsatz. Ihr großer Vorteil: Sie sinken nicht auf den Gewässergrund und können somit problemlos abgefischt werden. Zur Reinigung von Trinkwasser eignen sie sich ebenfalls.

In Holland würden Tulpen für den Versand in Torfmoose eingeschlagen, nennt Holthuis ein weiteres Beispiel. Und auch als Dekorationsmaterial seien sie begehrt und gar nicht mal günstig. Ein Kubikmeter koste etwa 6000 Euro. Jede Menge Absatzmöglichkeiten also für künftige Torfmoos-Anbauer.

Die Wirtschaftlichkeit solcher Nutzungen ist aus Sicht von Landrat Cord Bockhop, Präsident der Stiftung Naturschutz, ein wesentlicher Faktor. Denn: „Man kann nur da leben, wo man auch wirtschaften kann.“ Landwirte bräuchten echte Perspektiven. Dazu gehöre neben dem Torfmoosanbau auch zu prüfen, inwieweit in Moorrandflächen extensive Bewirtschaftung, Windenergieanlagen und ähnliches zugelassen werden können.

Der Landrat verbindet den Moorschutz im moorreichen Landkreis Diepholz mit einer klaren Forderung an EU, Bund und Land nach mehr Fördergeldern. Mit dem Moorschutz übernähmen die Akteure eine gesellschaftliche Aufgabe, die andere Landkreise nicht zu leisten hätten. Bockhop fordert, dass das honoriert wird, etwa durch eine Förderung des Breitbandausbaus in den unwirtschaftlichen Außenbereichen, die beim aktuellen Ausbau in die Röhre schauen.

Volker Meyer, Vorsitzender der Stiftung Naturschutz, plädiert angesichts der hohen Bedeutung für den Klimaschutz dafür, die Wiedervernässung der Moore gemeinsam mit den Kooperationspartnern weiter voranzutreiben. „Solange wir Prozesse freiwillig gestalten können, sollten wir das tun.“ Denn angesichts des jüngst durch den Landtag erhöhten Budgets für den Naturschutz erwartet Meyer künftig höhere Anforderungen an Kommunen und Landkreise in Sachen Klimaschutz.

Projekt Paludifarming

Das Projekt Paludifarming läuft noch bis September 2024 und hat ein Volumen von 146100 Euro, von denen 138795 Euro aus Zuwendungen des niedersächsischen Maßnahmenpakets Stadt.Land.ZUKUNFT kommen. In dem vom 3N Kompetenzzentrum (Werlte) geleiteten Projekt wird die Pilotfläche für Torfmoosanbau im Barver Moor mit den Partnern Stiftung Naturschutz im Landkreis Diepholz, Stadt Geestland, Klasmann-Deilmann GmbH, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Jade Hochschule Oldenburg weiterbetrieben. Ziel ist, die Optimierung des Anlagenbetriebs, die bodenschonende Pflege und Ernte sowie den Aufbau regionaler Verwertungsstrukturen zu erforschen. Die Hoffnung ist, dass sich der Landkreis Diepholz weiter zu einer niedersächsischen Modellregion für klimafreundliches Moormanagement entwickelt.

Quelle: Kreiszeitung vom 08.03.2023