Schicke Sandkuhle für Kreuzkröten
Neues Biotop südlich von Kirchdorf / Finanzierung durch EU-Projekt
VON SYLVIA WENDT
Kirchdorf – „Wir sind froh, dass wir eine Fläche kriegen konnten, wir kriegen nämlich schlecht Flächen für Biotope“, sagt Jan Kanzelmeier, Geschäftsführer der Stiftung Naturschutz im Landkreis Diepholz. Das Areal, um das es geht, liegt südlich von Kirchdorf – und soll der gefährdeten Kreuzkröte einen neuen Lebensraum bieten
Die habe sich da zwar noch nicht angesiedelt, die Naturschützer hoffen aber darauf. Die Kosten werden über das von der Europäischen Union geförderte Integrierte LIFEProjekt „Atlantische Sandlandschaften“ getragen.
Die Kreuzkröte komme hier in der Region nur noch in Sekundärbiotopen vor, also von Menschen geschaffenen und veränderten Lebensbereichen: Rohböden und Sandflächen gebe es nicht mehr, sagt Kanzelmeier. Kreuzkrötenpopulationen gebe es derzeit am Rand des Renzeler Moores und in den Sandabbaugebieten in den Gemeinden Wagenfeld und Rehden. Und etwa fünf Kilometer entfernt von dem Bereich, der jetzt in Kirchdorf umgestaltet wird. „Wir hoffen, dass die Kreuzkröte diese Differenz überwindet“, erklärt Kanzelmeier.
Die Kreuzkröte sei eine Pionierart. Sie schicke einzelne Mitglieder los, die gucken sich um. Die Kreuzkröte hüpft nicht: „Sie läuft ähnlich wie eine Maus, flitzt, ist recht flott unterwegs“, beschreibt es Kanzelmeier. Dadurch sei sie auch nicht so schnell zu packen. Wie die Kreuzkröten einen möglichen neuen Lebensraum entdecken – das sei nicht erforscht. Niemand wisse, ob sie etwa „eine Nase für Gewässer“ haben. Was bekannt ist: Zu ihrer Überlebensstrategie zählt, eben neue Orte zum Leben zu finden.
Was sie brauchen ist ein sandiger Untergrund und ein flaches Gewässer. Die Kreuzkröte besiedele trockene, warme Landlebensräume mit spärlicher Vegetation oder nicht bewachsenem Boden, heißt es seitens des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz (NLWKN), in Niedersachsen zuständig für die operative Umsetzung der Einzelmaßnahmen. Partner vor Ort ist für dieses Projekt die Stiftung Naturschutz im Landkreis.
Für ihre Fortpflanzung benötigt die Kreuzkröte „temporäre flache Klein- oder Kleinstgewässer, die möglichst intensiv der Sonne ausgesetzt sind und sich daher rasch erwärmen“. Das etwa ein Hektar große Gebiet in Kirchdorf sei eine ehemalige Sandgrube und biete nahezu perfekte Bedingungen. Aktuell werden Baumfällarbeiten durchgeführt, da das Kleingewässer zu stark beschattet werde. „Dabei handelt es sich um jüngere Kiefern“, erklärt Kanzelmeier auf Nachfrage. Bestehende Senken werden wieder hergestellt und Kleingewässer neu angelegt. So soll die Ansiedlung einer Kreuzkröten-Population langfristig gesichert werden. Denn: Auch die Dauerpflege für die nächsten zehn Jahre ist Teil des Projektes. Dazu zähle auch, das Durchwachsen von Jungkiefern zu verhindern. „Diese Sandgrube wird der Lebensraum mit der meisten Artenvielfalt“, kündigt Jan Kanzelmeier an. Er nennt es eine „ökologische Nische“, es mache nichts, wenn das flache Gewässer kurzzeitig mal austrockne.
Wann sich die Krötenpopulation ansiedelt, sei nicht vorherzusagen: „Das kann in diesem Jahr sein oder nicht mal in fünf Jahren.“ Der Bereich sei nicht öffentlich zugänglich. Grundsätzlich sei das Areal hinsichtlich des Naturschutzes von landesweiter Bedeutung. Laut Kanzelmeier gebe es zwölf Amphibienarten in Niedersachsen, zwei davon gefährdet: die Kreuzkröte, die kleinste einheimische „echte“ Krötenart, und die Knoblauchkröte. Von der Letztgenannten habe man in den vergangenen Jahren zwei Populationen im Landkreis Diepholz gefunden: in der Drentweder Heide und in Syke. Mit Maßnahmen für die Knoblauchkröte wollen sich die Naturschützer dann im kommenden Jahr beschäftigen.
Das Programm „Atlantische Sandlandschaften“ und seine Ziele
Warum gibt es das Programm „Atlantische Sandlandschaften“? In Natura-2000-Gebieten der Sandlandschaften – aber auch außerhalb der Schutzgebiete – sollen Maßnahmen durchgeführt werden, „um die Erhaltungszustände von ausgewählten Lebensraumtypen und Fokusarten zu verbessern“. Die atlantische Region umfasse in Deutschland mit etwa 70000 Quadratkilometern rund 20 Prozent der Landfläche und erstrecke sich über den westlichen Teil des norddeutschen Tieflands. Dieser Raumweise neben dicht besiedelten Bereichen weite Flächen intensiver landwirtschaftlicher Nutzung auf. „Daher sind die Lebensräume und Arten durch eine Vielzahl von Nutzungsinteressen bedroht“, heißt es seitens des NLWKN.
Charakteristische Elemente der atlantischen Region seien nährstoffarme Lebensräume auf sandigen Böden. Durch Änderung in der Nutzung und Einträge von Nährstoffen könnten sie als Lebensraum für gefährdete Arten verloren gehen.
In Niedersachsen werden in den Fokus genommen die Knoblauchkröte, die Kreuzkröte, die Zauneidechse, die Schlingnatter und das Froschkraut. sis
Quelle: Sulinger Kreiszeitung vom 26.02.2020