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Im Hotspot Diepholzer Moorniederung ist 'ne Menge los

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Beim Ortstermin auf der Torfmoosfarm in Barver erläuterte Detlef Tänzer der Grünen-Landtagsabgeordneten Britta Kellermann die besonderen Eigenschaften der Pflanze. © Holthuis

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Britta Kellermann informierte sich bei einem Besuch in der Diepholzer Moorniederung über die Arbeit der regionalen Akteure in Sachen Moorschutz und bekam auch ein paar Forderungen mit auf den Weg.

Ströhen – „Hier ist 'ne Menge los“, stellte die umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion Britta Kellermann bei ihrem Besuch in der Diepholzer Moorniederung fest, als die regionalen Akteure im Europäischen Fachzentrum Moor und Klima in Ströhen von ihrer Arbeit und aktuellen, überregional bedeutsamen Projekten in Sachen Moorschutz und Wiedervernässung berichteten. Die für die Berichte insgesamt vorgesehenen 45 Minuten sprengten sie locker. Ganz unbekannt ist der gebürtigen Bakumerin (Landkreis Vechta) die Region nicht, trotzdem nimmt sie viele neue Informationen und einige Forderungen/Bitten mit in ihre Fraktion.

Dr. Jens-Uwe Holthuis, Projektmanager der Torfmoosfarm in Barver in der Stiftung Naturschutz im Landkreis Diepholz, bezeichnet die Diepholzer Moorniederung als Hotspot im moorreichen Land Niedersachsen. Denn mit 240 Quadratkilometern machten Hochmoore etwa 20 Prozent der Landkreis-Fläche aus. Das sei doppelt so viel wie im Landesschnitt. Ihre Wiedervernässung ist für den Klimaschutz enorm wichtig, weil aus trockenen Moorböden große Mengen CO2 in die Luft entweichen, die in nassen Böden gebunden werden.

Vorstandsvorsitzender Volker Meyer berichtete über die vielfältige Arbeit der Stiftung Naturschutz, in der die Revitalisierung der Moore ein Schwerpunkt ist. Die Flurbereinigung spiele dabei eine wesentliche Rolle. Denn über den Flächentausch können Moorflächen aus der Bewirtschaftung herausgenommen und wiedervernässt werden. So seien über das Stiftungsprogramm „Moorentwicklung 3.0“ in der Flurbereinigung Barver Nord 140 Hektar Moorfläche erworben und inzwischen wiedervernässt worden. Als Ziel der Stiftung nannte er, in den kommenden 10 bis 15 Jahren etwa 4000 Hektar Moorflächen zu revitalisieren.

An Kellermann richtete Volker Meyer den Appell, von der Landesseite keine zu strikten Vorgaben für die Wiedervernässung von Mooren zu machen, damit die Akteure vor Ort ihre Arbeit in bewährter Weise fortsetzen können. Denn Meyer und Detlef Tänzer vom Fachdienst Kreisentwicklung des Landkreises sind sich einig, dass ein Geheimnis des Erfolgs bei der Flächenakquise das über Jahre aufgebaute vertrauensvolle Verhältnis zu den Eigentümern ist. Man sei immer im Gespräch, so Tänzer.

Jens-Uwe Holthuis stellte die wichtige Rolle der Landwirte beim Moorschutz heraus. Denn von den 530000 Hektar Moorflächen in Niedersachsen würden etwa 70 Prozent landwirtschaftlich genutzt – zumeist als Grünland. Flächentausch ist eine Möglichkeit der Wiedervernässung, nasse Bewirtschaftung (hoher Wasserspiegel) der Flächen durch Anbau und Ernte von Torfmoosen eine andere. Holthuis stellte das bis 2033 laufende Projekt Moosland vor, in dem die wirtschaftliche Nutzung dieser Paludikultur erforscht und demonstriert werden soll – unter anderem auf der „Sphagnumfarm Barver“. Er betonte: „Wenn sich die Landwirtschaft ändern soll, müssen wir auch Alternativen bieten und die Menschen mitnehmen.“ Holthuis sieht vielfältige Absatzmärkte für Torfmoose. Ein Hauptanwendungsfeld sei sicherlich in Substraten als Torfersatz, die Moose eigneten sich aber auch als atmungsaktiver Dämmstoff oder Luftfilter und seien als Deko-Material gefragt. Auch Britta Kellermann geht davon aus, dass es infolge des Verbots von Torfabbau und Torfnutzung in Substraten ein wirtschaftliches Interesse an Torfmoosen geben wird – und damit langfristig auch eine wirtschaftliche Perspektive für Landwirte, wobei ihr bewusst ist, dass es für sie eine große Umstellung bedeuten wird.

Damit Landwirte für diese Art der Bewirtschaftung Förderung bekommen können, fordert Holthuis ihre offizielle Anerkennung als Landwirtschaft. Bis dahin dürfte es aber ein langer Weg sein. Denn wie Britta Kellermann betonte, wird es ohne die Europäische Union nicht gehen, die für die Förderung in der Landwirtschaft ganz wesentlich ist.

Detlef Tänzer stellte neben den Aktivitäten des Landkreises in Sachen Wiedervernässung die Bedeutung der Landschaftspflege durch Schafe heraus. Die Tiere fressen unerwünschte Pflanzen ab und halten so die Moorlandschaften offen. Das Problem: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Schäfereien sind schwierig, und es gibt in Deutschland kaum noch Schäfer-Nachwuchs. Zwei der sechs Schäfereien in der Region hätten ihre Tierzahl stark reduziert, so Tänzer.

„Wir sehen uns hier an einem Scheideweg. Wir brauchen eine Lösung“, sagte Tänzer zur Sicherstellung der Landschaftspflege. Der Forstmulcher ist es nach seiner Ansicht nicht. Mit ihm ist Landschaftspflege in Mooren zwar möglich, aber nicht sonderlich schonend. Eine Alternative könnte ein Projekt mit der PHWT in Diepholz bieten. Dort möchte man einen „fliegenden Rasenmäher“ entwickeln – ein Ultraleichtfluggerät, das Sträucher und junge Bäume ferngesteuert von oben beschneiden könnte. Ein erster Förderantrag wurde laut Tänzer aber abgelehnt, ein zweiter läuft derzeit.

Peter Germer nutzte den Besuch der Grünen-Abgeordneten auch, um seinem Ärger bezüglich der Projektförderung ein wenig Luft zu machen. „Die Hürden bei der Antragstellung und Abrechnung sind so hoch“, dass selbst eine Organisation wie der BUND künftig wohl keine Anträge mehr stellen werde. Konkreter Anlass seines Ärgers ist ein Projekt, für das der BUND nach Abschluss zugesagte Fördermittel zurückzahlen soll. Germers Erkenntnis: „Man kann sich auf Bewilligungsbescheide nicht verlassen.“

Er richtete außerdem den Appell an Kellermann, beim Moorschutz nicht nur den Klimaschutz im Blick zu haben, sondern auch die Biodiversität. Denn Moore sind auch Lebensraum für spezialisierte und gefährdete Tier- und Pflanzenarten. So stünden 17 der 23 im hochmoortypischen Offenland beheimatete Vogelarten auf der Roten Liste.

Quelle: Kreiszeitung vom 31.07.2024

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